Harnblasenkrebs (Urothel-Karzinom)
Zusammenfassung
An einem Krebs der Harnblase erkrankten in
Deutschland im Jahr 2002 etwa 18.868 Männer und 7.121 Frauen (Robert-Koch-Institut,
www.rki.de, siehe dort Stichwort "Dachdokumentation Krebs"). Somit tragen
Männer ein mehr als doppelt so großes Risiko, an einem Harnblasenkrebs zu erkranken. Bei
Männern steht der Harnblasenkrebs auf Platz 5 der Häufigkeitsskala von Krebserkrankungen
in der Bundesrepublik Deutschland. Das Lebensalter von Männern beträgt bei der
Diagnosestellung im Schnitt 70 Jahre, bei Frauen etwa 73 Jahre. Die meisten
Harnblasenkrebse werden in frühen Stadien entdeckt. Das Rauchen steht als Risikofaktor
bei der Entstehung von Blasenkrebs im Vordergrund. Etwa die Hälfte aller
Blasenkrebs-Erkrankungsfälle bei Männern und ein Drittel der Erkrankungsfälle bei Frauen
wird auf übermäßigen Tabakkonsum zurückgeführt. Das Passivrauchen, welches aus der
Gesundheitsdiskussion nicht mehr wegzudenken ist, trägt ebenfalls zum Erkrankungsrisiko
bei.
Bei einer operativen Tumorresektion durch eine transurethrale Blasentumorresektion (TUR-B) wird zunächst die Diagnose bestätigt und die Eindringtiefe des Tumors bestimmt. Innerhalb von 5 Jahren tritt in mehr als der Hälfte der Fälle erneut ein Harnblasenkarzinom auf.
Entstehung
Als Hauptrisikofaktor für die Entstehung von
Harnblasenkrebs ist an erster Stelle das Rauchen zu nennen, wobei auch das Passivrauchen
gefährlich ist. Harnblasenkrebs gilt nach dem Bronchialkrebs als die zweithäufigste
Krebserkrankung bei Rauchern. Daneben sind aber auch Beschäftigte in der
Farbstoffindustrie, in der chemischen und petrochemischen Industrie und in Teer
verarbeitenden Betrieben stark gefährdet. Über 50 verschiedene chemische Substanzen
werden für die Entstehung von Harnblasenkrebs verantwortlich gemacht. Bei Berufstätigen,
die zum Beispiel einen chronischen Kontakt mit entsprechenden Chemikalien nachweisen
können, und an einem Harnblasenkrebs erkranken, wird dieser als Berufserkrankung
anerkannt. Zwischen dem Kontakt mit krebserregenden Stoffen und dem Auftreten des
Harnblasenkrebses kann eine sehr lange Zeitspanne liegen. So können bis zu 40 Jahre
vergehen, ehe erste Krankheitsanzeichen auftreten. Als weitere Risikofaktoren sind
übermäßiger Alkoholgenuss, besonders in Form von "scharfen" Alkoholika
(Schnaps), Inhaltsstoffe in Haarfärbemitteln oder der häufige Gebrauch von Phenacitin
(Schmerzmittel) im Gespräch. In tropischen Ländern kann das Harnblasenkarzinom als
Spätfolge einer Bilharziose auftreten. Diese Erkrankung tritt auf, wenn die Menschen von
diesem Erreger verseuchtes Wasser trinken oder darin ein Bad nehmen. Touristen, die
tropische Länder bereisen, können sich durchaus mit diesem Erreger infizieren.
Krankheitszeichen
In frühen Stadien macht Harnblasenkrebs kaum
Beschwerden. Acht von zehn Betroffenen nehmen Blutspuren im Urin wahr (Hämaturie), auch
eine Dunkelfärbung des Urins ist möglich. Eine Hämaturie ist in der Regel schmerzlos.
Häufiger Harndrang (Pollakisurie) kommt vor, wobei jedoch immer nur eine geringe Menge
Harn entleert werden kann. Sämtliche Beschwerden können zwar auf eine bösartige
Erkrankung der Harnblase hinweisen, aber ebenso Anzeichen für eine andere Erkrankung im
Harnblasen- und Nierensystem sein. Selten können Schmerzen im seitlichen Körperrumpf,
ein bereits tastbarer Tumor im Bauchraum, Lymphknotenvergrößerungen und Knochenschmerzen
anzeigen, dass ein weiter fortgeschrittenes Harnblasenkarzinom vorliegt. Zweifelsfreie
Klärung ist nur durch einen Besuch beim Urologen möglich, da dieser die entsprechenden
Untersuchungsverfahren zur Verfügung stellt.
Untersuchung
Die Untersuchungen können in der Regel ambulant beim
Urologen durchgeführt werden:
- Gespräch mit dem Arzt (Anamnese):
Vor jeder Untersuchung steht das ausführliche und offene Arzt-Patienten-Gespräch, in dem der Urologe nach dem Grund des Arztbesuches und den Beschwerden fragen wird.
- Urinuntersuchung:
Der Patient wird in der Praxis des Urologen aufgefordert, eine Urinprobe abzugeben.
- Tumormarkerbestimmung:
NMP22 - einfacher Urintest, der bereits nach 30 Minuten aussagekräftig ist und Hinweise auf einen möglichen Harnblasenkrebs geben kann. Allerdings ersetzt dieser Test bei Tumorverdacht die Blasenspiegelung nicht, sondern ist nur eine Ergänzung der Diagnostik.
- Körperliche Untersuchung:
Es folgt die körperliche Tastuntersuchung der Nierenlager, des Unterbauches und bei Männern der Vorsteherdrüse (Prostata).
- Sonografie (Ultraschall-Untersuchung):
Eine wichtige und schonende Untersuchungsmöglichkeit bietet die Sonografie der Harnblase und der Prostata. Hier kann bereits häufig der erste Befund auf das Vorliegen eines Harnblasenkarzinoms gestellt werden.
- Harnblasenspiegelung (Zystoskopie):
Unter lokaler Betäubung (Gleitmittel mit betäubender Wirkung) wird ein dünnes starres oder flexibles Röhrchen (Zystoskop) mit einer Optik durch die Harnröhre in die Blase vorgeschoben. Der Urologe kann durch die Optik das Innere der Harnblase und die Mündungen der beiden Harnleiter einsehen und eine erste Beurteilung vornehmen.
- Transurethrale Elektroresektion der Blase (TUR-B):
Dieses Operationsverfahren dient der Diagnostik und Therapie gleichzeitig. Durch die Resektion wird der Tumor abgetragen und kann gleichzeitig zur histologischen Beurteilung untersucht werden.
Weiterführende Untersuchungen, die gegebenenfalls in einer radiologischen Praxis durchgeführt werden können:
- Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT):
Mit Hilfe dieser Bild gebenden Verfahren kann eine Beteiligung von Darm, Gebärmutter, Prostata und anderen Körperorganen nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.
Der oberflächliche Harnblasenkrebs
Der Ort der Entstehung eines
Harnblasenkrebses ist fast immer die Schleimhaut, die die Harnblase innen auskleidet.
Die Behandlung richtet sich daher an der Stadieneinteilung des Tumors aus. Die meisten
Harnblasenkrebse (etwa 80%) werden in frühen Stadien entdeckt (TNM). In diesen Fällen
ist der Tumor auf die inneren Schichten der Schleimhaut beschränkt und hat den
Blasenmuskel noch nicht befallen. Die Heilungsaussichten sind hier sehr günstig, da
diese Tumoren relativ selten Tochtergeschwülste (Metastasen) bilden. Oberflächliche
Harnblasenkrebse haben jedoch ein erhöhtes Rückfallrisiko.
Behandlung des oberflächlichen Harnblasenkrebses
Im Vordergrund
der Behandlung steht die Erhaltung der Harnblase. Die Entfernung der bösartigen
Veränderung der Blasenschleimhaut wird unter Betäubung durchgeführt. Die Entfernung
erfolgt mit der Elektroschlinge (Transurethrale Elektroresektion) durch die Harnröhre.
In bestimmten Fällen wird gleich nach dem Eingriff vorbeugend eine einmalige Gabe eines
bestimmten Medikaments erfolgen, um das Einnisten von sich frei bewegenden Krebszellen
in das Innere der Harnblase zu verhindern (intravesikale Instillationstherapie). Das
Medikament verbleibt für ein bis zwei Stunden in der Blase und wird anschließend wieder
abgeleitet. Je nach Ausbreitung und Tumoranzahl kann wenige Wochen nach dem Ersteingriff
eine so genannte Nachresektion sinnvoll sein, um mögliche Reste von Tumorgewebe sicher
zu entfernen. Je nach Rückfallrisiko kann sich eine Chemotherapie oder Immuntherapie
anschließen. Nach einem genau auf den Patienten zugeschnittenen Behandlungsschema werden
in der so genannten Induktionsphase über einen Zeitraum von mehreren Wochen meist einmal
wöchentlich Medikamente über einen Harnblasenkatheter verabreicht. Diese Behandlung
erfolgt ambulant beim Urologen. Danach schließt sich die Erhaltungsphase an, die mehrere
Monate bis Jahre dauern kann. Der Betroffene erhält die Medikamente ebenfalls ambulant
etwa einmal monatlich in der Praxis beim Urologen verabreicht.
Der
invasive Harnblasenkrebs
Bei 20 Prozent der Harnblasenkrebse liegt
ein bereits fortgeschrittenes Tumorwachstum vor, das nicht mehr mittels transurethraler
Resektion entfernt werden kann, da die Muskelschicht der Harnblasenwand betroffen ist.
Dieses tumoröse Geschehen wird als "muskelinfiltrierender Harnblasenkrebs"
bezeichnet. Die Entfernung der Harnblase ist oft unumgänglich, wobei gleichzeitig ein
Blasenersatz aus Darmanteilen (z.B. Neoblase) geschaffen wird. Diese Behandlungsmethode
ist zurzeit die mit der höchsten absoluten Heilungschance und der höchsten
Überlebensrate für die Betroffenen.
Behandlung des invasiven
Harnblasenkrebses
Die komplette operative Entfernung der Harnblase
wird als Zystektomie bezeichnet. Der Eingriff wird in Vollnarkose durchgeführt.
Anschließend an die Harnblasenentfernung wird zur Harnableitung ein Harnblasenersatz,
zumeist aus einem ausgeschalteten Darmanteil geschaffen. Durch die anschließende
feingewebliche Untersuchung des entfernten Tumors und der benachbarten Lymphknoten wird
eine genaue Stadieneinteilung vorgenommen. Befallene Lymphknoten können auf
Tochtergeschwülste (Metastasen) hinweisen.
Nicht immer ist die Entfernung
der Harnblase bei Tumorbefall möglich. Wenn der Allgemeinzustand eines Betroffenen die
operative Entfernung der Harnblase nicht zulässt, oder der Betroffene die Operation
verweigert, kann eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie in Betracht kommen.
Nachsorge
Entscheidend für die Nachsorge ist die
Ausbreitung des Tumors und die Art der Behandlung. Der Urologe wird einen
Behandlungsplan aufstellen, der genau auf seinen Patienten zugeschnitten ist. Wichtig
sind die regelmäßige Kontrolle der Harnableitung, der Ausschluss von entzündlichen
Vorgängen im Harnableitungssystem und andere Krankheitsprobleme. Auch muss mittels
Röntgenuntersuchungen eine spätere Bildung von Metastasen ausgeschlossen werden. Nur so
kann rechtzeitig die beginnende Schädigung anderer Organe, wie zum Beispiel der Nieren
oder ein Wiederauftreten der Erkrankung, erkannt werden. Im Anschluss an die
Krankenhausbehandlung kann es, auch im Hinblick auf die beruflichen Herausforderungen,
ratsam sein, in einer speziell auf Blasenkrebs zugeschnittenen Nachsorgeklinik eine
Rehabilitationsbehandlung durchzuführen.
Häufig gestellte
Fragen
- Wie häufig tritt Harnblasenkrebs auf?
In der Bundesrepublik Deutschland erkranken jedes Jahr schätzungsweise 18000 Männer und 7000 Frauen neu an Harnblasenkrebs.
- Erkranken auch junge Menschen an Harnblasenkrebs?
Selten sind junge Menschen betroffen. Harnblasenkrebs ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters. Das Erkrankungsrisiko steigt ab dem 50. Lebensjahr mit zunehmendem Alter.
- Wann soll ein Urologe aufgesucht werden?
Wichtigstes Krankheitszeichen ist die schmerzlose Blutbeimengung im Urin. Schmerzen treten meist erst bei fortgeschrittener Erkrankung auf. Bei Anzeichen von Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Schmerzen beim Wasserlassen oder im Unterbauch sollte immer ein Urologe aufgesucht werden. Nur durch das frühzeitige Erkennen kann der Harnblasenkrebs wirklich erfolgreich behandelt werden.
- Wodurch entsteht Harnblasenkrebs?
Regelmäßiger Tabakkonsum, Alkoholkonsum und der übermäßige Gebrauch von Schmerzmitteln sind als Auslöser für das Auftreten eines Harnblasenkarzinoms bekannt. Bestimmte Haarfärbemittel und krebserregende chemische Stoffe stehen in der Diskussion. Weitere gefährdende Faktoren sind ein geschwächtes Immunsystem und chronische Entzündungen. In tropischen Regionen kann die Bilharziose in seltenen Fällen an der Entstehung des Harnblasenkrebses beteiligt sein.
- Welche Arten von Harnblasenkrebs gibt es?
Am häufigsten tritt der Harnblasenkrebs auf, der von der Schleimhaut (Urothel) ausgeht, die die Harnblase innen auskleidet und auf diese beschränkt bleibt. Weitaus gefährlicher ist der invasive Typ, der in die Tiefe der Blasenwand und damit in die Muskulatur der Harnblase einwächst.
- Wie wird Harnblasenkrebs behandelt?
Der oberflächliche Harnblasenkrebs wird in der Regel stationär durch die Harnröhre mit einer Elektroschlinge entfernt. Weitere Behandlungen wie die Gabe von Medikamenten über einen Katheter (Instillationstherapie) oder eine Immuntherapie mit einem Tuberkuloseimpfstoff (BCG = Bacillus Calmette-Guerin) können erforderlich sein. Die Entfernung der Harnblase mit Bildung einer Ersatzblase erfolgt bei Tumoren, die tiefer in die Blasenwand eingedrungen sind.
- Wie steht es mit der Sexualität?
Beim oberflächlich auftretenden Harnblasenkrebs und der schonenden Entfernung des Tumors mittels der Elektroschlinge sind in der Regel keine Störungen im Geschlechtsleben zu erwarten. Bei Entfernung der Harnblase und Anlegen einer Darmersatzblase beim Mann gehen durch die zusätzliche Entfernung von Prostata und Samenblasen der Samenerguss und die Zeugungsfähigkeit verloren. Fast immer kommt es auch zum Verlust der Gliedsteife (Erektion). Dies kann in manchen Fällen durch eine erektionserhaltende Operation vermieden werden. Der Urologe kann über entsprechende Hilfsmittel und Medikamente informieren, die die Gliedsteife auch nach der Operation wieder ermöglichen. Bei Frauen wirkt sich die Darmersatzblase weniger störend auf das Geschlechtsleben aus. Aber auch hier kann es zu einer Störung der sexuellen Erregbarkeit kommen. Durch die Entfernung der Gebärmutter können Frauen keine Kinder mehr gebären.
- Wie sind die Heilungsaussichten?
Auch beim Harnblasenkrebs ist der Zeitpunkt der Erkennung der Krankheit von allergrößter Bedeutung. Je früher ein Harnblasenkrebs festgestellt wird, desto aussichtsreicher sind die Chancen auf eine völlige Heilung. Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung ist das frühe Stadium der Tumorerkrankung und seine Begrenzung auf die Harnblasenschleimhaut. Besteht ein aggressives Tumorwachstum und liegen bereits Absiedelungen in andere Organe vor (Metastasen) gestaltet sich die Behandlung weitaus schwieriger mit entsprechend ungünstiger Aussicht auf Heilung.
- Mögliche Komplikationen bei der Behandlung
Jede Behandlung am menschlichen Körper und seinen Organen ist mit gewissen Gefahren verbunden. Der behandelnde Urologe wird so schonend wie möglich die nötigen Untersuchungen und Eingriffe vornehmen. In seltenen Fällen kann es aber zu unerwünschten Komplikationen kommen. Auf diese möglichen Komplikationen wird der Betroffene vor dem Eingriff von seinem Urologen ausführlich informiert. Einige wenige mögliche Komplikationen seien genannt. Nach der Harnblasenentfernung kann es zum Beispiel zu Störungen bei der Funktion der Darmersatzblase kommen. Auch besteht die Möglichkeit, dass Betroffene nach der Operation das Wasser nicht mehr vollständig halten können (Inkontinenz). Bei der Strahlentherapie kann es zu Nebenwirkungen wie einer Blasenschrumpfung mit häufigem Wasserlassen (Pollakisurie) kommen. Betroffene sollten sich vor einer Untersuchung und Behandlung des Harnblasenkrebses alle auftretenden Fragen notieren, damit sie vom Urologen auf alle Maßnahmen mit ihren Vor- und Nachteilen hingewiesen werden können.
- Wie kann man Harnblasenkrebs vorbeugen?
Raucher sollten das Rauchen aufgeben. Für die Mitmenschen stellt auch Passivrauchen eine Gefährdung der Gesundheit dar. Bei Arbeiten in der chemischen Industrie sollten sämtliche Arbeitsschutzmaßnahmen gewissenhaft beachtet werden. Auf Haarfärbemittel sollte verzichtet werden wie auch auf die Einnahme von Phenacitin (Schmerzmittel). Maßnahmen der gesunden Lebensführung tragen zur allgemeinen Erhaltung der Gesundheit des Menschen bei. Regelmäßige Kontrollen beim Urologen sind ab dem 45. Lebensjahr sinnvoll, da eine mögliche Harnblasenkrebserkrankung sehr früh erkannt und dann völlig geheilt werden kann.